Die kleinste Einheit von Politik findet
in einer Familie statt. Oder unter Freunden. Wie man miteinander
umgeht, wie Entscheidungen getroffen werden, welche Gesprächs- und
Hilfskultur herrscht – alles das ist letztlich auch eine Form von
Politik.
Damit ist, grob gesagt, auch jeder
selbst irgendwo Politiker, wenn auch nur in einem sehr kleinen
Rahmen. Aber der ist eigentlich zum „üben“ gar nicht mal so
verkehrt. Genau so, wie diejenigen, die Politik dann in einem etwas
größeren oder ganz großem Rahmen machen, mit der Zeit jede Menge
darüber lernen, wie man in solch größeren Gruppen miteinander
umgeht, was alles zu mehr politischer Verantwortung gehört (nämlich
auch viel über ganz verschiedene Sachen lernen um zu wissen, wie sie
funktionieren), lernt man in einer Familie, in einem Freundeskreis
oder in einer Klasse / einem Betrieb immer mehr „wie der Hase
läuft“. Also, wie das System des Miteinanders dort jeweils
funktioniert. In manchen Systemen hat man tolle Möglichkeiten, seine
Ideen und Vorstellungen einzubringen und so mitunter auch das System
an sich ein bisschen zu verändern.
Genauso, wie man in einer Familie
langfristig eher scheitern wird, wenn man trotzköpfig mit „ich
mach das jetzt aber so und so und ihr habt euch alle zu fügen!“
seine eigenen Vorstellungen ständig durchsetzen will und überhaupt
gar keine Lust hat, etwas groß zu begründen oder gar zur Wahl zu
stellen, wo es ja vielleicht abgelehnt werden könnte, funktioniert
es auch in größerem Rahmen. Freunde werden sich nicht endlos
gefallen lassen, herumkommandiert zu werden. In Betrieben, wo nur so
verfahren wird, sinkt nachweislich die Arbeitsleistung durch fehlende
Motivation. Wer arbeitet schon gerne für jemanden, der ständig nur
herumkommandiert und den Obermotz raushängen lässt?
Wenn also die eigene Politik im
Mikrokosmos irgendwo Vorbild dafür ist, wie man vielleicht auch in
der „größeren Politik“ agieren würde, wird es interessant. Und
spannend, Menschen zu beobachten. Natürlich gibt es in der „großen
Politik“ ein paar Sachen, die man in einem kleinen Rahmen viel
unkomplizierter machen kann, als wenn einem ständig Leute auf die
Finger schauen und Kameras dabei sind. Was für eine Debatte
entsprungen ist, als die Kanzlerin sich mal etwas menschlicher
gezeigt hat und mit einem Flüchtlingsmädchen geredet hat! Das war
in ihrem Benimmprotokoll so nicht vorgesehen. Wart ihr schon mal auf
einer Ratssitzung? Was da vorher abläuft? Wie einige Leute
herumgehen und jeden mit einem Handschlag, zumindest einer Berührung
und freundlichen Worten begrüßen? Das sind Welten Unterschied! Nur
mal so als Beispiel.
Aber warum habe ich das Thema „Politik
im Mikrokosmos“ jetzt eigentlich aufgegriffen? Es gibt Dinge, die
hauen mich immer aus dem Gleichgewicht. Sachen, mit denen ich früher
irgendwie besser umgehen konnte, sind mittlerweile durch verschiedene
Erlebnisse in meinem Leben zu etwas geworden, mit dem ich nur noch
sehr schwer bis gar nicht umgehen kann, wo ich viel drüber
nachdenke. Überlege, ob ich einfach nur „zu alt“ geworden bin
und meine Ansicht da zu antiquiert ist und versuche, für mich damit
irgendwie klar zu kommen. Das Blöde ist, wenn ich damit für mich
klar komme, bedeutet das immer, es gibt noch mehr Distanz zu anderen
Menschen. Also etwas, was ich eigentlich ja gar nicht will. (Kennt
ihr TV Kaiser?: „Ein Teufelskreis...“)
Eines dieser Dinge ist Verlässlichkeit.
„Verlasse dich auf Andere und du bist verlassen“ ist ein ziemlich
gutes Sprichwort. Ich kann verstehen, wenn jemand mal eine Zusage aus
wichtigen Gründen nicht einhalten kann. Im Mikrokosmos kann das
sein, ihm ist ein Termin dazwischen gekommen, es fehlt Material oder
die Voraussetzungen waren plötzlich ganz anders. Kann alles
passieren, ist menschlich und nachvollziehbar. Natürlich gibt es
dabei allerdings auch die Spezies Mensch, die irgendwelche Zusagen
bevorzugt nie einhält. Es ist einfacher und macht mehr Eindruck, zu
sagen, man tut etwas Bestimmtes als es dann auch tatsächlich zu tun.
Das ist dann nicht mehr nachvollziehbar und sehr ärgerlich. Aber im
Normalfall kennt man irgendwann seine „Laberspezies“ und kann
damit umgehen. Im Mikrokosmos sind auch nur wenige Menschen in so
etwas involviert.
Interessant ist es aber auch, um klar
zu machen: Politik, das sind nicht nur irgendwelche Politiker, die
man vielleicht von Plakaten oder gar nur aus dem Fernsehen kennt, es
ist nichts abstraktes. Politik ist das, was jeder von uns jeden Tag
irgendwie macht. Auch diejenigen, die sagen, sie haben von Politik
eigentlich gar keine Ahnung und es interessiert sie nicht. Dennoch
machen sie im Kleinformat jeden Tag Politik. Sie reden, diskutieren,
bestimmen, verhandeln, suchen Kompromisse , Wege, Lösungen um mit
bestimmten Dingen umzugehen.
Hat jemand von euch letztes Jahr
Newtopia gesehen? Ich habe es ja nur online verfolgt und fand dann
trotzdem den Punkt, wo jemand fragte: „Ist das, was wir hier jetzt
machen, eigentlich Demokratie?“ ganz spannend. Ja, wenn keine
Produktionsfirma-Diktatur sich einmischt, ist es Politik. Mein Sohn
spielt gerne Simulationsspiele. Darunter auch Anno. Anno ist
ebenfalls ein Stück Politik. Du musst ein Reich aufbauen – und
dafür sorgen, das es wirtschaftlich überlebt, der Warenhandel
ausgewogen ist und sich die Leuten in deinem Reich wohl fühlen und
nicht hungern.
Politik gab es schon immer in ganz
verschiedenen Formen. Im großen und kleinen Format. So gibt es
patriarchische Familien, wo die Männer im Haus bestimmen - so war
es als ich ein Kind war, bei einer Freundin. Ich fand es furchtbar.
Aber auch aus solchen Erlebnissen lernt man. Dann gibt es Diktaturen.
Da bestimmt nur einer, wo es lang geht. Egal ob es in Korea Kim Jong
ist oder in einer Familie jemand, der sich so etwas herausnimmt und
sich eine Schreckensherrschaft aufbaut. Sogar Kolonialherrenschaft
gibt es nach wie vor. Auch in Familien. Die suchen sich einfach ein
Familienmitglied als Sklaven aus. Aber auch aus den Dingen habe ich
viel gelernt.
In erster Linie, das ich selbst eine
absolut wundervolle Familie habe, egal was war, egal was ist... wir
haben schon so viele Stürme im Leben gemeistert – selbst wenn wir
viele Kilometer zwischen uns hatten. Wir haben gelernt zu fallen –
und wieder aufzustehen. Und nach dem Aufstehen stärker als vorher zu
sein. Vielleicht haben wir einige Zeit gehumpelt... aber danach
konnten wir besser laufen als vorher. Wir haben gelernt, was im Leben
wirklich wichtig ist – und das Familie nicht bedeutet, das alle
immer zusammenbleiben müssen, sondern das sich manchmal einfach neue
Konstellationen ergeben. Das kann ganz schön weh tun, weil es immer
auch bedeutet, das etwas, das war, vorbei ist. Aber es hat immer,
IMMER auch bedeutet, das jeder neue Chancen im Leben hatte,
Möglichkeiten zum innerlichen wachsen, die er genutzt hat und von
denen alle anderen mehr oder minder auch profitiert haben. Familie –
sind wir trotzdem. Auch wenn wir weit verstreut sind. Denn es liegt
an jedem Einzelnen einer Familie, wie er Familie auffasst. Respekt
davor, das meine Familie so viel Courage hat, neuen Leuten die Hand
zu reichen und zu schauen, wie sie das eigene Leben vielleicht
bereichern – anstatt sie zu beschimpfen und bedrohen, weil man
Angst hat, es wird einem etwas weggenommen. Ich habe jetzt an zwei
Tagen mal wieder sehr eindrucksvoll gelernt, das ich als Mutter und
Ehefrau nicht viel verkehrt gemacht habe. Sondern sehr viel mehr
richtig. Auch wenn es vielleicht erst falsch erschien.
Das musste ich jetzt einfach mal
loswerden. Den Text hatte ich in der Grundfassung übrigens schon
länger fertig. Aus aktuellem Anlass nur ergänzt.