Montag, 21. März 2016

Über Politik im Mikrokosmus - Familie und ein bisschen über Liebe



Die kleinste Einheit von Politik findet in einer Familie statt. Oder unter Freunden. Wie man miteinander umgeht, wie Entscheidungen getroffen werden, welche Gesprächs- und Hilfskultur herrscht – alles das ist letztlich auch eine Form von Politik.

Damit ist, grob gesagt, auch jeder selbst irgendwo Politiker, wenn auch nur in einem sehr kleinen Rahmen. Aber der ist eigentlich zum „üben“ gar nicht mal so verkehrt. Genau so, wie diejenigen, die Politik dann in einem etwas größeren oder ganz großem Rahmen machen, mit der Zeit jede Menge darüber lernen, wie man in solch größeren Gruppen miteinander umgeht, was alles zu mehr politischer Verantwortung gehört (nämlich auch viel über ganz verschiedene Sachen lernen um zu wissen, wie sie funktionieren), lernt man in einer Familie, in einem Freundeskreis oder in einer Klasse / einem Betrieb immer mehr „wie der Hase läuft“. Also, wie das System des Miteinanders dort jeweils funktioniert. In manchen Systemen hat man tolle Möglichkeiten, seine Ideen und Vorstellungen einzubringen und so mitunter auch das System an sich ein bisschen zu verändern.

Genauso, wie man in einer Familie langfristig eher scheitern wird, wenn man trotzköpfig mit „ich mach das jetzt aber so und so und ihr habt euch alle zu fügen!“ seine eigenen Vorstellungen ständig durchsetzen will und überhaupt gar keine Lust hat, etwas groß zu begründen oder gar zur Wahl zu stellen, wo es ja vielleicht abgelehnt werden könnte, funktioniert es auch in größerem Rahmen. Freunde werden sich nicht endlos gefallen lassen, herumkommandiert zu werden. In Betrieben, wo nur so verfahren wird, sinkt nachweislich die Arbeitsleistung durch fehlende Motivation. Wer arbeitet schon gerne für jemanden, der ständig nur herumkommandiert und den Obermotz raushängen lässt?

Wenn also die eigene Politik im Mikrokosmos irgendwo Vorbild dafür ist, wie man vielleicht auch in der „größeren Politik“ agieren würde, wird es interessant. Und spannend, Menschen zu beobachten. Natürlich gibt es in der „großen Politik“ ein paar Sachen, die man in einem kleinen Rahmen viel unkomplizierter machen kann, als wenn einem ständig Leute auf die Finger schauen und Kameras dabei sind. Was für eine Debatte entsprungen ist, als die Kanzlerin sich mal etwas menschlicher gezeigt hat und mit einem Flüchtlingsmädchen geredet hat! Das war in ihrem Benimmprotokoll so nicht vorgesehen. Wart ihr schon mal auf einer Ratssitzung? Was da vorher abläuft? Wie einige Leute herumgehen und jeden mit einem Handschlag, zumindest einer Berührung und freundlichen Worten begrüßen? Das sind Welten Unterschied! Nur mal so als Beispiel.

Aber warum habe ich das Thema „Politik im Mikrokosmos“ jetzt eigentlich aufgegriffen? Es gibt Dinge, die hauen mich immer aus dem Gleichgewicht. Sachen, mit denen ich früher irgendwie besser umgehen konnte, sind mittlerweile durch verschiedene Erlebnisse in meinem Leben zu etwas geworden, mit dem ich nur noch sehr schwer bis gar nicht umgehen kann, wo ich viel drüber nachdenke. Überlege, ob ich einfach nur „zu alt“ geworden bin und meine Ansicht da zu antiquiert ist und versuche, für mich damit irgendwie klar zu kommen. Das Blöde ist, wenn ich damit für mich klar komme, bedeutet das immer, es gibt noch mehr Distanz zu anderen Menschen. Also etwas, was ich eigentlich ja gar nicht will. (Kennt ihr TV Kaiser?: „Ein Teufelskreis...“)

Eines dieser Dinge ist Verlässlichkeit. „Verlasse dich auf Andere und du bist verlassen“ ist ein ziemlich gutes Sprichwort. Ich kann verstehen, wenn jemand mal eine Zusage aus wichtigen Gründen nicht einhalten kann. Im Mikrokosmos kann das sein, ihm ist ein Termin dazwischen gekommen, es fehlt Material oder die Voraussetzungen waren plötzlich ganz anders. Kann alles passieren, ist menschlich und nachvollziehbar. Natürlich gibt es dabei allerdings auch die Spezies Mensch, die irgendwelche Zusagen bevorzugt nie einhält. Es ist einfacher und macht mehr Eindruck, zu sagen, man tut etwas Bestimmtes als es dann auch tatsächlich zu tun. Das ist dann nicht mehr nachvollziehbar und sehr ärgerlich. Aber im Normalfall kennt man irgendwann seine „Laberspezies“ und kann damit umgehen. Im Mikrokosmos sind auch nur wenige Menschen in so etwas involviert.

Interessant ist es aber auch, um klar zu machen: Politik, das sind nicht nur irgendwelche Politiker, die man vielleicht von Plakaten oder gar nur aus dem Fernsehen kennt, es ist nichts abstraktes. Politik ist das, was jeder von uns jeden Tag irgendwie macht. Auch diejenigen, die sagen, sie haben von Politik eigentlich gar keine Ahnung und es interessiert sie nicht. Dennoch machen sie im Kleinformat jeden Tag Politik. Sie reden, diskutieren, bestimmen, verhandeln, suchen Kompromisse , Wege, Lösungen um mit bestimmten Dingen umzugehen.

Hat jemand von euch letztes Jahr Newtopia gesehen? Ich habe es ja nur online verfolgt und fand dann trotzdem den Punkt, wo jemand fragte: „Ist das, was wir hier jetzt machen, eigentlich Demokratie?“ ganz spannend. Ja, wenn keine Produktionsfirma-Diktatur sich einmischt, ist es Politik. Mein Sohn spielt gerne Simulationsspiele. Darunter auch Anno. Anno ist ebenfalls ein Stück Politik. Du musst ein Reich aufbauen – und dafür sorgen, das es wirtschaftlich überlebt, der Warenhandel ausgewogen ist und sich die Leuten in deinem Reich wohl fühlen und nicht hungern.

Politik gab es schon immer in ganz verschiedenen Formen. Im großen und kleinen Format. So gibt es patriarchische Familien, wo die Männer im Haus bestimmen - so war es als ich ein Kind war, bei einer Freundin. Ich fand es furchtbar. Aber auch aus solchen Erlebnissen lernt man. Dann gibt es Diktaturen. Da bestimmt nur einer, wo es lang geht. Egal ob es in Korea Kim Jong ist oder in einer Familie jemand, der sich so etwas herausnimmt und sich eine Schreckensherrschaft aufbaut. Sogar Kolonialherrenschaft gibt es nach wie vor. Auch in Familien. Die suchen sich einfach ein Familienmitglied als Sklaven aus. Aber auch aus den Dingen habe ich viel gelernt.

In erster Linie, das ich selbst eine absolut wundervolle Familie habe, egal was war, egal was ist... wir haben schon so viele Stürme im Leben gemeistert – selbst wenn wir viele Kilometer zwischen uns hatten. Wir haben gelernt zu fallen – und wieder aufzustehen. Und nach dem Aufstehen stärker als vorher zu sein. Vielleicht haben wir einige Zeit gehumpelt... aber danach konnten wir besser laufen als vorher. Wir haben gelernt, was im Leben wirklich wichtig ist – und das Familie nicht bedeutet, das alle immer zusammenbleiben müssen, sondern das sich manchmal einfach neue Konstellationen ergeben. Das kann ganz schön weh tun, weil es immer auch bedeutet, das etwas, das war, vorbei ist. Aber es hat immer, IMMER auch bedeutet, das jeder neue Chancen im Leben hatte, Möglichkeiten zum innerlichen wachsen, die er genutzt hat und von denen alle anderen mehr oder minder auch profitiert haben. Familie – sind wir trotzdem. Auch wenn wir weit verstreut sind. Denn es liegt an jedem Einzelnen einer Familie, wie er Familie auffasst. Respekt davor, das meine Familie so viel Courage hat, neuen Leuten die Hand zu reichen und zu schauen, wie sie das eigene Leben vielleicht bereichern – anstatt sie zu beschimpfen und bedrohen, weil man Angst hat, es wird einem etwas weggenommen. Ich habe jetzt an zwei Tagen mal wieder sehr eindrucksvoll gelernt, das ich als Mutter und Ehefrau nicht viel verkehrt gemacht habe. Sondern sehr viel mehr richtig. Auch wenn es vielleicht erst falsch erschien. 




Das musste ich jetzt einfach mal loswerden. Den Text hatte ich in der Grundfassung übrigens schon länger fertig. Aus aktuellem Anlass nur ergänzt.