Donnerstag, 1. Februar 2018

Sozial- und anderes Gedöns-Ausschuss, Fontane.00 Part 2


Dienstag war ja Sozial- und anderes Gedöns-Ausschuss. Es ging um die Feuerwehr in Alt Ruppin, die ein neues Gebäude bekommt und wo man hofft, dass es noch zusätzliche Fördergelder dafür gibt und dass das Gebäude 2019 fertig ist. Also irgendwann in dem Jahr...

Dann ging es um Projekte im Fontane-Jahr und es entbrannte eine Diskussion darüber, warum nicht einfach gesagt werden konnte, welche 11 Projekte abgelehnt wurden. Okay, nachher wurde von Mario Zetzsche erklärt, dass Projekte, die einen wirtschaftlichen Charakter haben nicht gefördert werden. Ebenso Projekte, in denen Fontane fast gar nicht vorkommt. Dann werden keine Projekte gefördert, die mehr oder minder „privat“ sind und nicht öffentlich präsentiert werden. Nicht gefördert wurden auch stadteigene Projekte, die letztlich viel zu teuer geworden wären.

Ach so, und es gab – nicht dienstag - übrigens eine Beschwerde, weil ich ja „schöner scheißen mit Fontane“ gebloggt habe. Dazu stelle ich einfach mal fest, dass manche Menschen wahrscheinlich viel zu studiert oder so sind um überhaupt auf die Idee zu kommen, dass man so denken könnte wie ich. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie und habe viele Freunde und Bekannte, die definitiv weit, weit weniger kunstaffin sind als ich. Ich bin es noch nicht mal sonderlich.

Diese Leute würden es genau so oder sehr ähnlich sehen wie ich. Das ist zum Beispiel die Rückmeldung, die so bei MIR ankommt. Es ist doch letztlich nicht so dermaßen viel anderes, als wenn irgendwer Aufkleber mit „fuckAFD“, „NoNazis“ oder „Graf Itty“ irgendwo auf eine Klotüre pappt. Nur das die Aufkleber größer, mit Zitaten von Fontane sind und dass die Aufkleber mit den Zitaten letztlich mit geschätzten 3.500 % Mehrkosten aus Fördermitteln bezahlt und legal geklebt werden, während man der Jugendkultur Zerstörungswut, Gewalt und Hässlichkeit vorwirft und über hohe Reinigungskosten klagt.

Würde das Mittendrin eine hohe vierstellige Summe beantragen um Toiletten und leere Schilderrückseiten im Rahmen von „Neuruppin bleibt bunt“ mit klaren Bekenntnissen gegen Nazis und Faschismus und für kulturelle Vielfalt zu bekleben, wäre der Entrüstungssturm verdammt groß. Aber hey, hier geht es um Fontane und der ist bei fontane.200 für manch einen Akteur des großen Zinnobers die Lizenz zum Geld drucken. Mein Eindruck mitunter. 

Zweite Feststellung – da das Buch mit den Briefen von Fontane an seine Holde Emilie laut Google einen dreistelligen Betrag kostet, verlasse ich mich mal auf das, was das Internet so über das Thema und Fontane ausspuckt. Also zum Einen die Beschreibung eines Klos so, wie es in dem Beitrag „schöner scheißen mit Fontane“ unter dem Bild zu sehen ist. Und klar, er hat auch über „Toilette“ geschrieben. ABER... damit war definitiv NICHT das stinkende Örtchen gemeint, sondern zu der Zeit bezeichnete man als „Toilette“ das Schminken und das Aufbrezeln (von Frauen). Und das hat er tatsächlich öfters erwähnt, auch in Briefen an seine Frau. Nur: während heute oft die Toilette (Keramikschüssel für Körperausscheidungen) durchaus oft im gleichen Raum wie der Spiegel ist, den Frau zum schminken benutzt, war das „Örtchen“ früher halt ein eher einsamer Ort ohne Spiegel und die „Toilette“ wurde am „Toilettentisch“ erledigt, heute „Schminktisch“ genannt. Und der stand eher in den Privaträumen als neben dem Plumpsklo, zumal Fontane sich halt keine Luxus-Herbergen leisten konnte, die weit besser ausgestattet waren als die bescheideneren Gasthäuser, in denen er logiert hat.

Ich bin also gespannt, welch glorreichen Klosprüche dann für viel, viel Geld auf irgendwelchen Kloschüsselräumchen prangen werden und werde darüber nachdenken, wie es wohl bei den Leuten ankommt, denen man erklären will, wie wichtig Fontane doch ist und wie sehr wir ihn hier mit dem Fontanejahr ehren. Bevor sie merken, dass man  aus seinen Zitaten letztlich Scheißhauslektüre gemacht hat. Das ist wie Boys mit seiner Fettecke und den dreckigen Badewannen, die als „Kunst“ deklariert wurden. So etwas ist für Menschen wie mich nicht nachvollziehbar. 

Wer so wie ich von staatlicher Unterstützung lebt und immer wieder erlebt (hat), wie alles abgelehnt wurde, was beantragt wurde, weil es „unangemessen“ ist oder aus tausend anderen Gründen nicht passt, für den ist es auch irgendwie ein Schlag ins Gesicht. Da kommt jemand und kassiert mit ein paar Sprücheaufklebern auf Toilettentüren so viel Geld, wie hier in der Stadt andere Leute im ganzen Jahr unter einem Haufen Repressalien und Demütigungen zugebilligt bekommen. Und diese Leuten können sich für ihre Kinderund/oder sich selbst kaum vernünftige Teilhabe leisten, um ihnen und sich irgendwie mehr Bildung zu ermöglichen. Das muss man erst mal bringen. 

So, dann ging es noch um „Geschlechtergerechtigkeit“. Das alle Geschlechter gleich beachtet werden. Also auch in Texten und so. Das kommt vom Gleichstellungsbeirat dieser Stadt, der seine Ehrenämter sehr ernst nimmt und auf sehr vielen Sitzungen ist. Also Geschlechter gleich stellen. Welche Geschlechter gibt es? Es gibt Frauen. Es gibt Männer. Aber das ist ja noch nicht alles. Dann gibt es noch mindestens Transgender – das sind diejenigen, die zwar nach außen hin die Geschlechtsmerkmale eines Mannes oder einer Frau haben, aber „im falschen Körper sind“. Denn sie fühlen sich im falschen Körper. Und es gibt zum Beispiel „Hermaphroditen“. Okay, wer wissen will, was das ist, hier der Xhamster-Link... (*) aber nur so viel: Es gibt eine Hermaphrodite, bei der jeden Tag auf Klo die Sonne aufgeht.


Wenn nun die Stadt eine Selbstverpflichtung der Stadt Grundlage wird – wie ist das dann wenn man solche Leute in Texten anschreibt? „Sehr geehrte Frauen, Männer, sonstige Geschlechter“? Das nächste wäre dann... wie ist das, wenn man dann mindestens drei Geschlechter berücksichtigt – UND noch Behinderte berücksichtigen muss?

Dann ging es dem Gleichstellungsbeirat noch um die Aufteilung von Frauen und Männern in der Stadtverordnetenversammlung und in den Ausschüssen. Da sind ja viel mehr Männer vertreten als Frauen. Es wurde überlegt, woran das liegen kann. Da fielen dann so Begriffe wie „Kinderbetreuung“ und „nicht wollen“ oder auch „Langatmigkeit der Sitzungen“ und das müsse man doch bitte irgendwie mal berücksichtigen. Warum? Wer nicht will, der will nicht
Es sind ja nicht nur die Sitzungen im Rathaus alle paar Wochen mal Abends. Da gehören noch Fraktionstreffen dazu und sich in Themen einarbeiten. Wer da eher seine Freizeit mit Glotze, Spielen etc. verbringen möchte, den kann ich verstehen. Noch etwas kommt dazu – immer mehr Menschen scheinen eher bildungsallergisch zu sein. Da reichen ein paar Schlagzeilen – weil es halt zu anstrengend ist, mehr als das zu lesen – und sie haben ihre Meinung. Sich in verschiedene Themen einzuarbeiten ist halt nicht deren Ding. Das haben sie nie gelernt. Dazu passt aber auch, dass der Gleichstellungsbeirat sich zwar viele Gedanken um die Geschlechtergerechtigkeit macht – aber wenig darüber, dass man vielleicht auch mal einen Blick auf die Verständlichkeit von Texten haben sollte. Schauen sollte, wo vielleicht Fremdwörter sind, die manche Leute nicht verstehen können.

Das hat zwar nichts mit den verschiedenen Geschlechtern zu tun. Aber wer sich wundert, dass wenig Leute und vor allem wenig Frauen Lust auf Politik haben und dann seitenlange schwer verständliche Texte raushaut,  der macht die ganze Sachen nicht besser. Es gibt ja nicht mal die Bemühung, sich schrittweise um einfache Sprache zu kümmern. Ich kann mir gut vorstellen, wie mehr und mehr Stadtverordnete irgendwann anfangen, in Tischkanten zu beißen, wenn der Gleichstellungsbeirat wieder mit langen Ausführungen kommt und der künftige Behindertenbeirat dann noch einige Ergänzungen hat, damit die auch barrierearm umgesetzt werden. Wer dachte, eine Sitzung ist lang, wenn die bis 22 Uhr geht... ne, die Aussichten, dass dies noch locker getoppt werden kann wenn man immer und immer wieder auch darauf hinweisen muss, dass nicht nur Geschlechter, sondern auch verschiedene Behinderungen zu berücksichtigen sind, stehen ziemlich gut.

Ich kann niemanden zwingen, Kommunalpolitik zu machen oder toll zu finden. Nicht als Gleichstellungsbeirat, nicht als Stadtverordneter... gar nicht. Je mehr Regeln, Vorschriften und Einschränkungen es gibt, je mehr unverständliche Texte und Desinteresse der Verwaltung an Bürgerengagement desto weniger Spaß macht es zugegeben. Sitzungen dauern halt mitunter lange. Was will man da bitte abkürzen, wenn es Diskussionen gibt? Da ist doch Redezeit schon begrenzt worden – noch mehr Reglements und von einer Demokratie, die jetzt ja schon mitunter in Frage gestellt wird, sind wir abgerückt.

Wenn es wenig Frauen in der Kommunalpolitik gibt, dann liegt es nicht in erster Linie daran, dass die vielleicht Kinder haben. Es liegt vielleicht eher AUCH daran, dass Männer hier eigentlich ziemlich klar machen, das Politik ihr Metier ist und Frauen da zwar ganz nett sind, aber in erster Linie halt überflüssig, weil sie als Männer schon alles gut im Griff haben. Es braucht ein dickes Fell, wie man als Frau Kommunalpolitik machen möchte, um nicht in der Luft zerrissen zu werden, falls man eine Meinung nicht auf viel Gegenliebe stößt.

Ich denke, das haben echt die wenigsten Frauen. Und Frauen, die ihre eigene Meinung haben und die auch noch vertreten... ganz böse! Nein, offiziell wird da ja immer gelobt, aber hintenherum ist so etwas wie „Hexe, verbrennt sie!“. Alles schon erlebt. Politik wird nicht frauenfreundlicher, wenn man auf dem Papier festlegt, das man doch bitte mehr Frauen in der Politik haben möchte. Weder kommunale Politik noch Bundespolitik. Die meisten Frauen, die in den Sitzungen sind, sind entweder Verwaltungsangestellte oder Besucher. Die ersteren werden dafür bezahlt, dass sie dort erscheinen und die letzteren haben die freie Wahl zu kommen und zu gehen, wann es ihnen beliebt und sich nicht viel Mühe geben zu müssen, alles zu verstehen.

Ich war sachkundige Einwohnerin. Und bin seitdem schon mehrfach gefragt worden, ob ich nicht gerne wieder kandidieren würde. Für´s Stadtparlament? Die Nerven habe ich nicht. Dafür bin ich viel zu unangepasst, habe nichts, was ich als „guck mal was für ein toller Hecht ich bin!“-an die Wand nageln könnte und habe halt viel zu sehr meine eigenen Meinung. Das kollidiert ja schon oft mit dem Kulturbeirat.

Ich bin letztens gefragt worden, was ich sagen würde, wenn mich jemand fragt, warum ich da noch drin bin, wenn ich so über ein Projekt schreibe etc.. Ich glaube ich würde mittlerweile antworten: „Nenne einen Ersatz und ich bin schneller draußen als du gucken kannst!“. Ich wäre nicht mal sonderlich traurig drüber. Ich habe mit viel Enthusiasmus und Freude damals den Beirat mit gegründet und war superstolz darauf und gespannt, wie sich alles entwickelt. Nach der ganze Zeit stelle ich einfach nur fest, ich bin zu unbeqeum, zu unfolgsam, habe meine eigene Meinung und Lebensauffassung und einen viel zu geringwertigen Berufshintergrund dafür. Dazu haben meine Lebensumstände oft genug dafür gesorgt, dass ich an verschiedenen Sachen nicht teilnehmen konnte. Weil kein Auto und Angsterkrankung oder mir einfach auch nur eine Nummer zu hoch. 

Kultur sollte für viele sein, auch für Menschen, die keine große Bildung haben. Aber die werden im Beirat irgendwie kaum vertreten. Wenn ich also letztlich merke, ich bin unbequem weil ich zu unangepasst dort bin und ich mehr und mehr eher "nette Deko" bin, dann denke ich viel nach. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dort hinein zu passen. Da es schon diverse Wechsel gegeben hat und manch einer gar nicht mehr erst zum Ehrenamt erscheint empfinde ich es auch eigentlich als gar nicht so schlimm, zu erkennen, dass es eigentlich seit langem schon hinten und vorne nicht mehr passt und mehr und mehr die Konsequenzen daraus zu ziehen. Das wäre auch viel ehrlicher als alles Andere. 



(*) Das Lied hatte ich dann als Ohrwurm...