Sonntag, 17. April 2016

Gedanken zum Seetorviertel

Letztens war eine Sondersitzung des Bau- und Wirtschaftsausschusses. Dort wurde die Planung zum Seetorviertel vorgestellt. Also zu dem ehemaligen Industriegelände bei der Therme. Da gab es erst jahrelang Probleme wegen dem verseuchten Boden und es wurde sich darüber gestritten, wer bitte dafür aufkommt, dass der Boden entkontaminiert bzw. ausgetauscht wird. Freudestrahlend war dann letztes Jahr in der Zeitung zu lesen, das es eine Einigung gegeben hätte und es nun dort endlich weiter gehen würde.

Man sieht es an der "Seetorresidenz", einem in der Planung sehr hässlichen Betonklotz mit eigenem Hafen für besser Betuchte, der dort als erstes hochgezogen wurde bzw. immer noch im Bau ist. Das ganze ehemalige Industriegelände teilen sich nur wenige Investoren. Ein bisschen gehört der Stadt, ein bisschen der Gesellschaft, der die Therme gehört und der dritte Teil gehört Prima Solar. Mir fehlen irgendwie noch Opitz und Kaatsch in der Reihe, dann wären "die Macher", wo man irgendwie den Eindruck gewinnt, denen gehört ohnehin halb Neuruppin komplett.



Nun stellte ein freundlicher Herr also die Planungen für das Seetorviertel vor und zeigte anhand von Modellen, wie toll das doch alles aussehen könnte, wie gut es für Neuruppin wäre und wie viel Geld es in die Stadt... äh... vergesst es. Da ziehen Leute hin, die dermaßen viel Kohle haben, das sie über das K6 in ihrer weiteren Nachbarschaft die Nase rümpfen werden. Da ziehen Leute hin, die dermaßen viel Geld haben, das sie vielleicht private Wachdienste anheuern, damit ihr Hab und Gut bloß gut geschützt ist. Da ziehen Leute hin, die sich dadurch profilieren wollen, das sie es sich leisten können, dort zu wohnen. Und denen alles andere eigentlich ziemlich scheißegal sein wird.

Vorgestellt wurde unter anderem die Planung einer riesigen Tiefgarage um dort die Mehrheit aller Autos unterbringen zu können. Laut Planung gibt es bei der Tiefgarage nur EIN Problem. Und das ist ein dort verlaufender Regenwasserkanal. Ups. Lieber Herr Degener, ruhen Sie in Frieden - aber DANKE für die Zeit, in der Sie mir von der geplanten Tiefgarage auf dem Brasch-Platz erzählt haben und das letztendlich dann keiner für Gebäudeschäden gerade stehen wollte, die durch die notwendige Grundwasserabsenkung dort entstehen würden!

Genau DAS ist nämlich das - hoppla, voll übersehen... - Hauptproblem. Das Gelände ist nun einmal in direkter Seenähe. Das bedeutet, der Grundwasserspiegel ist sehr hoch. Je dichter am See, desto feuchter eigentlich die Keller, es sei denn, sie sind nachträglich abgedichtet worden. Immer wieder sieht man an den Häusern hier ein Stückchen über dem Boden Bohrlöcher die mit etwas gefüllt worden sind. Ich kann euch sagen, was das sind: Das sind Bohrlöcher, in die eine Masse gespritzt wurde, die sich im Mauerwerk horizontal verteilt um zu verhindern, dass das Grundwasser sich über das Mauerwerk nach oben arbeitet und in den Wohnungen für feuchte Wände, Schimmel und so weiter sorgt und die Bausubstanz schädigt.

Als jemand, der auf dem Moor aufgewachsen ist und mitbekommen hat, wie durch die Entwässerung ganze Häuser in der Mitte durchbrechen, weil bei ihrem Bau schlichtweg der hohe Grundwasserstand beachtet wurde, bin ich wahrscheinlich für Neuruppin nur dumm und doof ;-).  Habe viel weniger Ahnung als irgendwelche studierten Planer, die von Firmen etc. bezahlt werden, deren Hauptziel ist: "Mach Geld, mach möglichst viel Geld...". Das ist den Firmen fast unbenommen. Es sei denn, sie sind so dermaßen auf Kohle machen fixiert, das ihnen bei solchen Gebieten völlig egal ist, das  auf der anderen Seite der Stadtmauer die Historische Altstadt liegt. Wo Menschen Häuser gekauft und saniert haben, weil sie dort gerne leben wollten. Die enorme Sanierungs- und Denkmalschutzauflagen in Kauf genommen haben und irgendwann dann noch einen kräftigen "nun ist dein Haus ja MEHR WERT, also erheben wir noch einen Sonderbeitrag dafür!" bezahlen müssen.

Neuruppin braucht Investoren. So viel ist unstrittig. Aber die Frage ist: Braucht Neuruppin Investoren, die sich benehmen wie die Elefanten im Porzellanladen? Ich glaube, solche Menschen braucht KEINE STADT. Aber genau so etwas wird am Seetorviertel umgesetzt.

Für den Bau der Tiefgarage wäre eine Absenkung des Grundwasserspiegels notwendig. Wer denkt, das braucht man nicht, darf gerne zur Mesche fahren. OK, da ist jetzt alles verbrettert, aber dort steht eine Investorenruine mit Tiefgarage. Für Kanuten. Die ist nämlich mit Grundwasser vollgelaufen. Wer ein bisschen googelt zum Thema "Grundwasserabsenkung" bekommt eine ziemlich interessante Präsentation zu dem Thema angegeben, bei der sowohl Gebäudeschäden durch Grundwasserabsenkungen gezeigt werden und wo es ebenfalls zwei sehr interessante Modelle gibt. Und zwar zwei Karten, die ein bisschen aussehen wie so ein Erdbebengebiet mit Schadenskreisen. Diese Karten zeigen, wie groß so ein Gebiet ist, in dem Schäden entstehen, wenn an einer Stelle Grundwasser abgesenkt wird. Es gibt ein rotes Kerngebiet und die Kreise ziehen sich dann immer weiter, denn auch in weiterer Entfernung hat eine Grundwasserabsenkung immer noch Auswirkungen. Zum Beispiel auf Pflanzen, die kein Wasser mehr bekommen und deshalb künstlich gewässert werden müssen.

Alles das... interessiert die Investoren letztlich anscheinend nicht. Denn die Modelle, die gezeigt wurden, stellen nur die vermeintlich "guten Seiten" dar. Es sind Draufsichten. Was mir auch gefehlt hat - es wird seit Jahren von der Erweiterung des Uferwanderweges zur Seeperle gesprochen. Auch in der Planung wurde es ANGESPROCHEN. Geredet. Punkt. Aber in der ganzen Planung kommt nur die Verlegung des Fischerweges, also der Verbindung vom Uferweg hinter dem Freigelände der Therme bis zur Stadtmauer - zur Sprache. Nicht etwa die Erweiterung des Uferwanderweges. Auch etwas merkwürdig - was ist denn dort beim Angelverein los? Ist der in dem geplanten "Monaco von Neuruppin" zu peinlich geworden? Passt es nicht, wenn Angler ihre Ruderboote neben der "Seetorresidenz" mit eigener Marina haben? Scheint irgendwie, als ob dort nach "weg da, ihr armseliges peinliches Pack!" gehandelt wird. Ich kann mich aber auch irren, was ja gar nicht mal so schlecht wäre.



Vermisst habe ich ein paar Bilder, die nicht nur hübsche Draufsichten auf irgendwelche Klötzchen zeigen, die Häuser darstellen sollen. Vermisst habe ich Ansichten, die zeigen, wie die Bebauung IM HÖHENVERGLEICH zu bestehenden Bebauungen ist. Wusstet ihr, dass das Parkhaus um eine Etage aufgestockt werden darf? Oben habt ihr einen Blick auf den Ist-Zustand von der Seetraße aus. Und das man genau das auch vor hat? SO eine Ansicht, wie das dann wohl aussehen könnte - DIE hätte mich durchaus interessiert. Denn es ist aus Geldgier total einfach, das größte Pfund, was Neuruppin hat, nämlich die historische Altstadt mit ihren Gassen und die Stadtmauer, plötzlich abzuwerten, weil auf der anderen Mauerseite das Gras grüner ist und das Geld in Massen winkt.  Ich bin kein Profi und kein Planungsbüro. Ich habe dann mal etwas dilletantisch via Photoshop mit ein Bild zu machen, wie das wohl aussehen könnte. So ganz grob... und wünsche allen Menschen die dort in dem Gebiet innerhalb der Stadtmauer wohnen, schon mal "einen wunderbaren Ausblick..." nämlich auf ein Parkhaus. Wenn sie denn den Ausblick noch lange genießen könnten und sich nicht mit irgendwelchen Rissen in ihren Gebäuden rumärgern müssen, die es im schlimmsten Fall unbewohnbar machen.

Eines der prägendsten Erlebnisse meiner Kindheit auf dem Moor war, wie bei einem Mehrfamilienhaus, das früher einmal ein dreistöckiges Verwaltungsgebäude einer Tranfabrik war, eine komplette Wand einfach weggekippt ist. Tante Roses Wohnzimmer war schlagartig sehr hell... weil eine komplette Wand weg war. Wenig später besorgten ein paar Trecker und einige Ketten den Rest. Das Haus wurde dem Erdboden gleich gemacht.

Es ist interessant, zu überlegen, wie denn wohl der Deal für die millionenteuere Entseuchung des Industriegebietes tatsächlich war. Also das, was nicht offiziell am Tisch besprochen wurde. Denn es ist mir unbegreiflich, wie eine Verwaltung dermaßen unsensibel eine Planung bejubeln kann, die einzig und allein in vielen Augen Dollarzeichen aufleuchten lässt und ohne jegliche Rücksicht auf bestehende Bebauung und vor allem auf die Mehrheit der Einheimischen hier, die eben NICHT zu den besser Betuchten gehören "Hurraaaaa, ist das geil!" geschrien wird. Wo auf Nachfrage, ob dort vielleicht auch Sozialwohnungen entstehen könnten, darauf hingewiesen wird, das dafür dort kein Platz ist. Sozialbauten könnten ja ans Sonnenufer.

Moment - Sozialwohnungen meinte nun nicht, seniorengerechte Bauten für Rentner, die mehr Geld als der Durchschnitt der Bevölkerung haben. Aber was soll´s. Aus den doch eher negativen Begriffen "WK 1 - 3", von manchen Leute auch "Ghetto" genannt wurde ja mittlerweile auf den Verwaltungsplänen die "Südstadt" und wenn es um den Bereich geht, gibt es INSBESONDERE für diesen Bereich den Begriff "soziale Stadt". Wie schön man doch mit Worten übertünchen kann, das man die ärmeren Menschen gerne alle zusammengepfercht in Plattenbauten hätte, damit sie langfristig gesehen bloß nicht die Besserbetuchten stören, die sich dann in den Häusern niederlassen, wo der eben voll normale wenig verdienende Neuruppiner früher gewohnt hat.

Auch das schaut Neuruppin sich dann leider von Berlin ab. Die Viertel, die früher "ih bäh" waren und ungeliebte Randgebiete als noch die Mauer stand, sind heute Viertel, in denen man die Altbewohner vertreibt, damit besser verdienende Klientel in luxusanierte Häuser zieht und Investoren glücklich machen. Ich denke, langfristig wird Neuruppin für die Mehrheit der Menschen, die seit vielen Jahrzehnten hier wohnen, hier aufgewachsen oder früh zugezogen sind, an Lebensqualität massiv verlieren.   Wie Herr Frings irgendwann schon mal erklärte: Jeder Euro, der in der "Südstadt" investiert ist, macht mehr Menschen glücklich die hier leben als jeder Euro, der in der Innenstadt investiert wird. Wenn man es auf die Bevölkerungsdichte pro Quadratmeter umrechnet.





Meine Meinung.




1 Kommentar:

  1. Was regst du dich denn so auf. Ändern kannst du nichts, bewirken erst recht nicht, also Schlucks runter und geniesse es. Wenn Dir was nicht passt dann gehe doch

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Die Stadt-Ratte bedankt sich herzlich für den Kommentar!